Privatdozent Dr. Dr. Grischka Petri: Zur Erweiterung der fotografischen Kategorien im Werk Maks Danneckers. Bonn, 2024.
Die Arbeiten Maks Danneckers legen gegenwärtig den Status des Insidertipps ab. Sie sind in zahlreichen zeitgenössischen Sammlungen präsent, ebenso werden sie regelmäßig ausgestellt. Worin liegen ihre Faszination und ihr Beitrag zur Fotografie der Gegenwart?
Fotografie bringt für gewöhnlich Raum und Körper in die fotografische Ebene des Films bzw. heute des Sensors. Raum wird verdichtet, projiziert und eingefaltet in eine Fläche. Maks Dannecker geht diesen Weg weiter, über den Abzug hinaus. Die Reihentitel der Nachbilder und der Nachverdichtung verraten es ausdrücklich. Doch während die populäre Fotografie als transparent verstanden wird, halten einem die Arbeiten Maks Danneckers entgegen: Das ist kein Automatismus. Die Fotografie ist ein Objekt. Ohne die Erinnerung an das Fotografierte gibt es kein Verständnis, sondern nur einen Sinneseindruck.
Hier spielt Maks Dannecker ihr Konzept einer Werkstoffgerechtigkeit über die traditionellen fotografischen Materialien hinaus gekonnt und konzeptuell unbestechlich aus. Es verlängert die fotografische Wechselwirkung von Raum, Körper und Fläche in einen skulpturalen Prozess, der aus dem Lichtbild ein neues Objekt schafft; eine fotografische Refiguration des Gesehenen. Fotografische Prinzipen steigen aus der Bindung an die Sichtbarkeit aus, um in anderen Materialien wirksam zu werden und schließlich als Objekt wieder in die Sphäre des Sichtbaren einzutreten. In der Sprache Marcel Duchamps wird das Retinale zwischenzeitlich verlassen. Das ist für ein fotografisches Verfahren ein Experiment, das vorliegend glückt, weil Maks Dannecker auf höchstes technisches Verständnis bauen kann.
Indem sie Materialien, die nicht dafür hergestellt wurden, fotografische Eigenschaften entlockt, erweitert Maks Dannecker das Repertoire der Fotografie gleich mehrfach: ikonographisch, technisch und materiell. Es ist nicht übertrieben, diesem Verfahren eine Dimension der Materialerkundung zuzusprechen, die sich in einer außergewöhnlichen Ästhetik der Betrachtung zeigt.
Dieser Vorgang wird von den Arbeiten Maks Danneckers gleichermaßen provoziert und verweigert; es entstehen Spannung und Attraktion in einer rigorosen Eleganz. In dieser ambivalenten Haltung fallen die Arbeiten auf eine prononcierte, aber nicht lärmende Art auf. Sie ziehen den Blick an und verraten nicht unmittelbar, was sie zeigen, ohne sich in einer romantischen Verrätselung zu verlieren. Das Offensichtliche ist Danneckers Sache gleichwohl nicht. Sie unterläuft die übliche Erwartung an Fotografie zu zeigen, „was gewesen ist“, wie es Roland Barthes ausdrückt. Eine Arbeit aus der Serie der Nachbilder erschließt sich nicht unmittelbar. Sie verbirgt, was das Vorbild gezeigt hat, und ist doch präsent, als konkreter Gegenstand.
Die Arbeiten Maks Danneckers zeigen, „was gewesen ist“ nur, wenn man ihrer Aufforderung folgt, mehr zu verstehen, als vordergründig sichtbar ist, um es im Verstehen sichtbar zu machen. Der Blick muss arbeiten.
Der Lohn dieser Arbeit ist bereichernd. Das Bild eines Wohncontainers erzählt seine Geschichte nicht, es dient auch nicht als Dokumentation, sondern verrät uns durch seine eingefangenen Formen über das schöpferische Potential einer visuellen Konstellation. Eine politische Dimension erschließt sich erst über Umwege. Wo die Becherschule Biogastanks isoliert und serialisiert hätte, entlockt Dannecker den Formen Strukturen, Farbverteilungen und Komposition, um sie nicht willkürlich, aber neu zu arrangieren. In einer Zeit, die Messwerte gerne mit Diagrammen illustriert, zeigt Dannecker einen alternativen fotografischen Weg auf, der an andere künstlerische Traditionen wie die Op-Art anknüpft, beispielhaft in den jüngeren Arbeiten unter dem Thema der Nachverdichtung. Wo ein Stadtplan den urbanen Raum in eine zweidimensionale Kartierung überführt, faltet Maks Dannecker die sichtbare Welt ein, um sie als Farbkörper aus dem Licht neu zu materialisieren, neu zu entfalten.
Diese Perspektive tritt umso deutlicher hervor, wendet man sich den Arbeiten zu, die Maks Dannecker als konkretes Objekt und immersives Environment gestaltet. Beispielsweise werden Acrylglas und Licht souverän eingesetzt, um fotografische Installationen und Foto-Skulpturen zu realisieren. Den Begriff der Lichtzeichnung (was die Fotografie wörtlich nimmt) übersetzt Maks Dannecker mit einem Aufnahmemedium in das Werk. Wir bekommen auf diese Weise eine Lichtzeichnung „im Betrieb“ zu sehen – wenn wir Zeit in die Betrachtung investieren. Dannecker inszeniert damit einen Rollentausch, indem die Betrachtung des Werkes, das sich uns konkret entgegen stellt, seine Entwicklung bedeutet.
Das Werk Maks Danneckers nimmt in der Verbindung von technischer Beherrschung, fotografischer Transformation und Expansion sowie seiner ästhetischen Strenge eine unabhängige und unverwechselbare Position ein.
© Copyright: Grischka Petri